Geschrieben am: 13.12.2024
Gerade in der dunklen Jahreszeit kurz vor dem Jahresende ist das Alleinsein für viele Menschen schwer zu ertragen. Auch die vor der Tür stehenden Weihnachtsfeiertage bedeuten für Alleinstehende oftmals eher eine Belastung. Das muss nicht so sein. Mit verschiedenen Strategien können wir gemeinsam dafür sorgen, dass sich niemand einsam fühlen muss.
Tatsächlich ist Einsamkeit alles andere als harmlos. Die Weltgesundheitsorganisation WHO setzte 2023 eine Kommission ein, die die negativen Folgen von Einsamkeit auf die Gesundheit untersuchen soll. Der ärztliche Leiter des öffentlichen Gesundheitsdienstes der USA, Vivek Murthy, spricht darüber. Auch das deutsche Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat den Kampf gegen die Einsamkeit auf der Agenda.
Warum kann Einsamkeit gefährlich sein und was können wir dagegen unternehmen?
Negative Folgen von Einsamkeit für die Gesundheit
Liebe und Geborgenheit sind menschliche Grundbedürfnisse. Werden diese nicht erfüllt, kann es zu negativen Folgen für Körper und Psyche kommen. Bei Menschen, die sich einsam fühlen, geht man von einem höheren Risiko für Schlaganfälle, Angststörungen, Demenz, Depressionen und Suizid aus. Damit steigt natürlich das Risiko eines vorzeitigen Todes. Besonders im Alter kommt es bei denjenigen, die sich einsam fühlen, wesentlich schneller zu einem geistigen Abbau als bei den sozial Aktiveren.
Auch das allgemeine Wohlbefinden und die Lebensqualität werden niedriger eingeschätzt, als bei Menschen mit einem lebendigen Sozialleben. „Einsame“ haben tendenziell mehr Stress und schlafen schlechter. Wenn Einsamkeit chronisch wird oder über einen längeren Zeitraum andauert, ist also Vorsicht geboten.
Kontaktverbote als Strafmaßnahme
Im Strafvollzug wird unter anderem die Isolierung von Strafgefangenen (sog. „Isolationshaft“) als eine besonders schwere Form der Bestrafung genutzt, erzwungene Einsamkeit als „schwere Strafe“. Das kann langfristig negative Folgen für die Psyche haben und sogar zu einer schweren Traumatisierung führen.
Wer ist von Einsamkeit betroffen?
Jede vierte Person in Deutschland fühlt sich sehr einsam – zu diesem Ergebnis kommt das Depressionsbarometer der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Bei Menschen mit Depression berichtet sogar jeder Zweite vom Gefühl großer Einsamkeit.
Das Gefühl der Einsamkeit ist oft unabhängig von der Anzahl der Sozialkontakte. Es geht eher um die Qualität der Kontakte und um die dahinterstehenden Bedürfnisse: Zwischen den gewünschten und den tatsächlich vorhandenen Beziehungen eines Menschen kann ein großer Unterschied liegen. Man kann sich also auch auf einer großen Geburtstagsfeier einsam fühlen, wenn man das Gefühl hat, nicht dazu zu passen oder nur oberflächliche Gespräche führt und sich aber eigentlich wünscht, eine engere Bindung zu den Mitmenschen zu haben.
Auch Menschen in einer romantischen Beziehung können sich einsam fühlen, wenn sie den Eindruck haben, ihre Partnerperson versteht sie einfach nicht oder bringt sich nicht ein, hat vielleicht das Interesse verloren, oder verbringt durch Beruf und Freizeit viel Zeit anderswo.
Oft ist auch die Erwartungshaltung ein Problem: Ein einziger Mensch kann meist nicht alle Bedürfnisse erfüllen.
Menschen aller Altersstufen leiden übrigens darunter, zu wenig Kontakt mit Freunden und Verwandten zu haben: Unter Heranwachsenden sind nach Studien weltweit fünf bis 15 Prozent betroffen, unter den älteren Menschen sind es sogar 25 Prozent.
Es gibt natürlich auch Situationen, in denen Menschen besonders anfällig sind, zum Beispiel, wenn sie um Angehörige trauern und sich bedingt dadurch oder aufgrund von Krankheit oder Ähnlichem zurückziehen.
Für-sich-sein oder Einsamkeit?
Menschen, die gerne für sich sind, erleben diese Zeit nicht unbedingt als negativ. Ruhe, Individualität, Freiheit, Autonomie, Achtsamkeit und Selbstbegegnung können eine wunderbare Sache sein. Auch ein gutes Buch liest sich am besten ungestört. Solange das freiwillig passiert, ist das auch kein Problem.
Das Problem entsteht eher dort, wo unfreiwillig negative Erfahrungen gemacht werden. Hier geht es nicht nur um die Häufigkeit, sondern auch um das Empfinden der Kontakte: Vielleicht haben wir mit einer Zufallsbegegnung zwar ein nettes, kurzes Gespräch über das Wetter, brauchen aber eigentlich jemanden, der uns wirklich zuhört, weil persönliche Probleme uns beschäftigen. Dann ist die Situation natürlich nicht zufriedenstellend.
Es kommt hierbei immer auf das persönliche Bedürfnis an. Wenn wir gezwungen sind, sehr viel Zeit mit anderen zu verbringen und dadurch kaum Rückzugsmöglichkeiten oder Privatsphäre haben, kann das ebenfalls negative Auswirkungen auf die Stimmung haben.
Um gut allein sein zu können, sind ein gesundes Selbstwertgefühl sowie das sogenannte „Selbstmitgefühl“ hilfreich: Wer mit sich selbst spricht wie mit einem guten Freund, hat ein angenehmeres Innenleben als jemand, der sich kritisch betrachtet.
Wege aus der sozialen Isolation – Was kannst du konkret tun?
1. Bestehende Beziehungen pflegen
Vor allem enge Freundschaften gelten als wichtige Schutz-Faktoren für unser langfristiges Wohlergehen.
Mach aktiv Vorschläge und plane die Zeit dafür ein: Ihr könnt euch treffen, telefonieren, Video-chatten, schreiben, Kaffee trinken, gemeinsam spazieren oder zum Sport gehen, auch mal ohne Ablenkung durch das Handy.
Wenn du weißt, dass jemand gerade krank ist, unter einer Trennung leidet oder über die Feiertage alleine ist, melde dich bei der Person.
2. Neue Kontakte aufbauen
Vielleicht kannst du öfter mal „Hallo“ sagen, dich vorstellen oder andere ansprechen. Wenn das nicht dein Ding ist: Zeig dich zugänglich, wenn jemand auf dich zukommt und sei freundlich. Grüßen, Hilfe anbieten, andere fragen, wie es ihnen geht und tatsächlich zuhören, ein paar Sätze für Alltagsgespräche bereitlegen, all das erfordert nicht so viel Aufwand und gibt dir vielleicht ein gutes Gefühl.
Beim Thema neue Freunde finden ist eines ganz entscheidend: Du solltest dich nicht nur in großen Gruppen und für einen bestimmten Zweck mit den Leuten treffen, sondern auch mal zu zweit und ohne konkretes Vorhaben. Je mehr „unstrukturierte“ Zeit wir mit Menschen verbringen, desto leichter lässt sich Vertrauen aufbauen.
3. Dran bleiben beim Dating
Du bist solo und wärst es lieber nicht?
Schau dich um bei Dating-Apps, Single-Treffen, Stammtischen oder Events, probiere Neues aus und bleib dran, auch wenn es nicht so einfach ist.
Es braucht Zeit, Offenheit und wahrscheinlich auch einige Anläufe, bis du jemanden findest, mit dem du dich wirklich wohl fühlst.
4. Sich verletzlich zeigen
Wir müssen nicht nur anderen zuhören, wenn sie uns ihr Herz ausschütten, sondern auch uns selbst verletzlich zeigen und offen darüber sprechen, was wir empfinden. Das gilt auch in romantischen Beziehungen oder in der Arbeit. Du hast einen Fehler gemacht? Sprich darüber!
Offen über negative Gefühle sprechen ist wichtig, denn nur so kann das Stigma abgebaut werden: Angst vor Ablehnung? Scham? Wut? Trauer? Das Gefühl, nicht gut genug zu sein? All das kann ein wenig leichter werden, wenn wir es laut aussprechen. Und meistens kennt unser Gegenüber diese Gefühle selbst, schließlich sind wir alle Menschen.
Wichtig dabei: Andere nicht verurteilen. Wir stecken nicht in ihrer Haut und wissen nicht, was sie erleben oder vielleicht schon durchgemacht haben.
5. Gemeinsame Interessen als Grundlage
Wofür brennst du? Was begeistert dich? Über gemeinsame Hobbies und Interessen können oft Verbindungen entstehen. Auch das Zugehörigkeitsgefühl zu einer oder mehreren Gemeinschaften kann uns helfen: Mitgliedschaften in Vereinen und regelmäßige Treffen können Halt und Struktur geben, egal ob es dabei um Spiele, Kochen, oder Stadttauben geht.
Auch soziale Ereignisse und Veranstaltungen sind dafür super: Regionale Feste und Märkte, (sportliche) Wettbewerbe, Festivals und Konzerte finden immer mal wieder statt. Egal was es ist, gemeinsame Erlebnisse schweißen zusammen. Vielleicht lernst du dort auch neue Leute kennen?
Selbsthilfegruppen für verschiedene Themen können ebenfalls Leute zusammenbringen. Gibt es nicht in deiner Nähe? Gründe sie!
6. Tu was für die gute Sache!
Gemeinsames Engagement verbindet: Ein Ehrenamt gibt dir das Gefühl, gebraucht zu werden und du hast gleich eine sinnvolle Aufgabe. Du kannst dich für alte oder junge Menschen einsetzen, für Tiere, im Katastrophenschutz, bei Gartenprojekten oder im Bereich Kunst und Kultur, je nachdem was dich interessiert. Vielleicht lernst du dabei auch noch neue Fähigkeiten?
Auch die Blutspende kann zum sozialen Erlebnis werden: Du kannst Leute motivieren und gemeinsam mit ihnen zur Spende gehen oder dort auf Gleichgesinnte treffen. Frag doch zum Beispiel mal, wie oft die andere Person schon gespendet hat oder warum sie Blut spendet.
7. Sogenannte „Dritte Orte“ aufsuchen
Dritte Orte sind öffentliche Orte, die nicht die Arbeitsstelle und nicht das Zuhause sind. Hier treffen typischerweise Menschen automatisch zusammen und haben Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen.
- In Verbindung mit Hobbies: Sportverein, Chor, Töpferkurs, Tanzschule, Buchclub…
- Cafés, Bars, Kneipen, Kinos…
- Ehrenamt: z.B. Feuerwehr, THW oder Rotes Kreuz
- (Religiöse) Gemeinden
- Städtische Veranstaltungen, Bibliotheken
- Märkte
- Nachbarschaftsorganisationen, offene Treffen, Eltern-Kind-Gruppen, Selbsthilfegruppen
- Politische Parteien
- Gewerkschaften
- Blutspende
Bonus-Punkt: Wissen vertiefen und teilen!
Mehr Wissen oder Bewusstsein hilft auch, sich und das eigene Umfeld zu sensibilisieren. Wie entsteht Einsamkeit? Wie kann man ihr vielleicht vorbeugen?
- Einsamkeit kann uns alle betreffen, auch Menschen, die auf den ersten Blick ein großes soziales Netzwerk haben oder sehr extrovertiert wirken.
- Manche Menschen finden mehr Barrieren vor, wenn es um soziale Interaktion und Teilhabe geht (z. B. Ältere, Behinderte, psychisch Kranke, Suchtkranke, Schichtarbeitende, Schüchterne oder auch autistische Menschen)
- Manche Lebenssituationen begünstigen Einsamkeit besonders (Umzug, Krankheit, Trennung, Tod, Alleinleben, Betreuung sehr junger Kinder, stressiger Arbeitsalltag, anonyme Großstädte, eingeschworene Dorfgemeinschaften…)
Vielleicht kann dir das helfen, bei der nächsten Gelegenheit mehr Verständnis für eine Situation zu zeigen oder es auch von anderen einzufordern.
Jetzt Termin reservieren und weitersagen!
Wie bei der Blutspende gilt auch in der Gesellschaft: Nur Gemeinsam sind wir stark! Auch wenn die Menschen, die Blut spenden, die Patientinnen und Patienten, die ihre Spende empfangen, nicht kennenlernen, so sind sie doch unsichtbar durch diese gute Tat verbunden, die Leben rettet.
Darüber kannst du auch hier mehr lesen: Blutspende als solidarische Handlung.